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          Von unschuldigen Kindern und schuldigen Erwachsenen

Wir sollten uns vielleicht manchmal vorstellen, welche Konsequenzen dadurch entstehen würden, wenn unsere lieben Babies und Kleinkinder plötzlich statt 50 - 90 cm Körperlänge die Größe von Erwachsenen hätten, also möglicherweise 190 cm groß und 90 Kilogramm schwer wären. 

Das Lachen würde uns bald vergehen, denn abgesehen von Ernährungs- und Pflegeproblemen, die schon genügend schwierig zu bewältigen wären, würde uns jeder kleine Zwischenfall von Wut und Ungeduld unserer Lieblinge den Angstschweiß auf die Stirne treiben, und, wenn wir nicht exzellentes pädagogisches Geschick aufbrächten, würden wir manchmal Polizei, Rettung und Feuerwehr zugleich anrufen müssen.

Die lieben Kleinen bereiten uns deswegen keine Ängste und Probleme dieser Art, weil sie eben „klein“ sind. So können wir sie sogar herzig finden, selbst, wenn sie in flammendem Zorn mit Bauklötzchen um sich werfen und die Mama an den Haaren reißen.

Wir können diese Verhaltensweisen deswegen aushalten oder tolerieren oder uns darüber belustigen, weil wir körperlich überlegen sind, uns nicht gefährdet fühlen und insgesamt Veränderungen durch die Reifungsvorgänge der kommenden Jahre erwarten.

Im Rahmen eines Vortrages äußerte sich ein bekannter Neuropsychiater zum Thema der   Vermutung kindlicher Unschuld etwas provokativ:

„Wenn wir Kindern  a priori die Unschuld zusprechen, so dürfen wir doch auch den Gesichtspunkt zulassen, daß sie eigentlich charmante Psychopathen sind, je jünger desto mehr“

Natürlich kann man das nicht wirklich aufrecht erhalten  -  aber es ist etwas Verführerisches dran, es doch in dieser Hinsicht zu überdenken. Betrachtet man nämlich die Verhaltensweisen erwachsener Psychopathen, die Verhaltensweisen von Gewalttätern und Schwerkriminellen, so kann man in diesen Verhaltensweisen einen Rückfall in unkontrolliertes frühkindliches oder kleinkindliches Gefühlsleben sehen, ungesteuert, unreflektiert, selbstschädigend und als Ausdruck massiver Unreife: Ein Kleinkind in Triebdruck oder Verzweiflung, mit einem muskulösen kräftigen Körper und vielleicht schwer bewaffnet, manchmal sogar ausgestattet mit einer  sehr gut funktionierenden „operativen“ Intelligenz, die aber, weil im sozialen Kontext behindert, auf uns trotzdem als „blöd“ wirkt .

Bei diesen Erwachsenen aber gelingt es uns fast nie, irgendetwas Sympathisches an ihnen zu finden, das uns liebevolle Zuwendung erlaubt. Im Gegenteil: die Gefährdung, die wir spüren, löst Strafbedürfnisse und Vernichtungsimpulse aus, die durch kein „Kindchenschema“ gemildert werden. Der Ruf nach der Todesstrafe ist nur ein Symptom dieser Impulse.

Ganz selten allerdings kommt es doch vor, daß sich Frauen zu Mördern hingezogen fühlen und diese im Gefängnis heiraten wollen.

Es sind dann immer Frauen, nie Männer, die solche Bedürfnisse haben. Und es sind immer psychopathische Mörder, die zu Heiratskandidaten werden, kaum je wird ein ganz „gewöhnlicher“ Raubmörder als attraktiv empfunden.

Beides, einerseits, daß „mütterliche“ Frauen solche Beziehungen wünschen, andererseits, daß es sich um ganz bestimmte pathologische Gewaltverbrecher handelt, verstärkt die Vermutung, daß es sich bei der eigentümlichen „Attraktivität“ der Heiratskandidaten um solche mit ausgeprägtem „Kindchenschema“ handelt. Dieses läßt dann Frauen mit einem ganz speziellen „Mutterkomplex“ in Partnerschaftswünsche geraten.

Die Erkenntnisse Sigmund FREUDS haben in unserem Kulturkreis zum Glück dazu geführt, jedes menschliche Verhaltensmuster als ein aus der Kindheit herausgewachsenes zu verstehen, und das hat den sogenannten „Asozialen“ und „Antisozialen“ mehr Verständnis und mildere Strafmaße gebracht. Irgendwie ist die Vorstellung von „kindlicher Unschuld“ ein strafmilderndes Element, wenn ein erwachsener Straftäter als ein „herangewachsenes Kind“ gesehen werden kann.

Bei einem Versuch in den USA wurden einer  durch Zufall ausgewählten Versuchsgruppe von Bürgern Fahndungsbilder von Mördern vorgelegt und die Beschreibung ihrer Straftaten. Es wurden verschieden Strafmaße bis zur Todesstrafe zur Auswahl gestellt.

Einer andere Gruppe (Versuchsgruppe) von Bürgern wurden dieselben Fahndungsphotos mit denselben Texten vorgelegt, allerdings ergänzt durch Kinderphotos der Straftäter als Babies oder Schulkinder.

Die gewählten Strafmaße der 2. Gruppe waren um 56 Prozent niederer als die der 1. Gruppe . „Todesstrafe“ wurde in der 2. Gruppe überhaupt nicht  angekreuzt.

Das bedeutet : Je stärker wir einen Menschen als einen „aus der Kindheit gewordenen“ zu sehen imstande sind, desto weniger neigen wir zu aggressiver Vergeltung.

Die „Moralisten“ kennen solche „Schwachstellen“ ihrer Gesetzesbürokratie nicht. Sie werden daher solche Überlegungen wie diese als unrealistischen „Psychologismus“ abwehren.

Schließlich - so meinen sie - müsse man ja auch dem Straftäter das „Recht auf eigene Schuld“ lassen und dürfe ihn nicht entmündigen. Wenn sie damit nicht gleichzeitig die Pflicht, zu bestrafen, verbinden würden, wäre es leichter, diesem Argument zuzustimmen.

Die sogenannte „Erziehung“  besteht nicht nur in den Ermahnungen und Maßnahmen der Eltern, sondern insgesamt im soziokulturellen Aufwachsen  der Kinder.

Prof. Ringels berühmter Ausspruch paßt hier gut :

“Erziehung ist der Kübel, der uns in der Kindheit über den Kopf gegossen wird und ein Leben lang an uns herunterrinnt.“

                   
                               
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