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          Mit beiden Füßen am Boden ...

In der Psychotherapie gibt es Moden und unterschiedliche Kulturen. Es ist schon gut so, daß es diese unterschiedlichen Kulturen gibt, und es ist auch unvermeidlich, daß es „Moden“ gibt, die von Zeit zu Zeit ausufern – bis an den Rand der Peinlichkeit.

Es ist noch nicht so lange her, da grassierte in „Psychogesprächen“ die stereotyp wiederkehrende Redewendung : „...das ist DEIN Problem....“. Das war eben die „Dein – Problem – Zeit “ der Psychologie und sie begründete die Möglichkeit einer gewissen „Asozialität mit gutem Gewissen“.

  Zum Glück ist diese Modeerscheinung bereits abgeklungen und wurde - vielleicht in Wiedergutmachungsabsicht - durch die „Betroffen –Zeit“ ersetzt : Man neigte dazu, sich in allen möglichen Gelegenheiten als „betroffen“ zu erweisen. „Betroffensein“ –entweder als Opfer oder als Mitfühler wurde zu einer besonderen Qualität erhoben, die es erlaubte, auf rationale Argumente irrational zu reagieren – einfach mit dem (vermeintlichen ?) Recht des Betroffenseins. Das führte dazu, daß in TV –Diskussionen  Fachleute nicht mehr sagen durften, was sie dachten, weil die ebenfalls eingeladenen „Betroffenen“ es sich verbaten, daß über ihre Probleme rational gesprochen werden sollte, wo doch sie, die „Betroffenen“ anwesend  wären. Nicht „betroffen“ zu sein, löste in so manchem Gesprächsteilnehmer peinliche Schuldgefühle aus, was zum Versuch führte, sich als im Sinne des Mitgefühls als „betroffen“ zu erweisen, was oft nicht wirklich glaubhaft dargestellt werden konnte.

Geblieben ist von all diesen genannten „Moden“ der Versuch, mit dem Begriff „Abgrenzung“ ein professionelles Vokabel zu schaffen, daß es erlaubt, trotz Mitfühlens jene Distanz zu schaffen, die für beide Partner – etwa eines Problemgesprächs – gleich gut verträglich ist. Allerdings neigt auch dieses allzuhäufige Reden über „Abgrenzung“ schon wieder dazu, eine neue Mode zu werden –auch eine neue Möglichkeit, sich auch dort „rauszuhalten“ wo man sich eigentlich beteiligen könnte (sollte).

Für manche Therapeuten scheint es nötig eine neue „Sprachliturgie“ mit dazugehörigem salbungsvollem Stimmtonus zu pflegen :

„Wie fühlt sich das an  für Dich ?“

„Was macht das mit Dir ?“

„Wie spürt sich das ?“

„ Atme Dich jetzt frei – lass es kommen und gehen...“

( Originale „Mitschnitte .... )

Als ich in sehr jungen Jahren einen Schulkollegen nach seinem Selbstmordversuch aus der Klinik abholte, fragte ich den Primarius, wie ich mich denn nun psychologisch richtig verhalten sollte. Seine Antwort war : „Einfach normal, mit beiden Füssen am Boden“.

Es war ein unheimlich kluger Rat, ich versuche ihn bis heute zu beherzigen und therapeutische „Moden“ oder zeitgeistige Neuerungen daran zu messen. Ich kann dieses Maß nur bestens weiterempfehlen.

                   
                               
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