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          Der Papst und die Mächte der Übertragung

Papst  Benedikt hat am Wochenende Österreich besucht und Österreichs Katholiken haben diesem Besuch  viel Anteilnahme entgegengebracht. Die Medien, vor allem der ORF haben es ermöglicht, bis ins Detail diesen Event zu beobachten.

Der Papst hat einige Reden gehalten, zu verschiedenen Themen Stellung genommen, war freundlich und herzlich zu den Fans – alles, wie man es sich eigentlich erwartet hatte, und es war gut so, auch wenn man verschiedene inhaltliche Differenzen zu diversen Argumenten haben kann.

Wie so oft  - oder fast immer – sind die Wahrheiten, die jemand ausspricht, durch das Weglassen und Nichtaussprechen fehlender Teile entweder falsch oder in ihrer Konsequenz verfälscht.

So kann man natürlich die „Christianisierung Europas“ dankbar feiern, ohne dazuzusagen, wie viele blutige Untaten und unchristliche Strategien dazu beitrugen.

Und man kann auch am Judenplatz eine Schweigeminute und ein Gebet halten, mit dem Oberrabbiner freundlich sprechen und Respekt zeigen, ohne ausgesprochenerweise um Vergebung zu bitten, daß auf diesem Judenplatz einst 2oo Juden den Freitod gewählt hatten, um nicht der Zwangstaufe („Christianisierung“) unterworfen zu werden.

Es wäre „berührend“ und aufregend gewesen, wenn der Papst mit klaren Worten dazu gesprochen hätte. Aber vielleicht hätte das irgendwelche noch existierende Kreuzritterorden vergrämt.

Wer die Macht der „Übertragung“, wie sie S. Freud beschrieb, studieren wollte, konnte dies tatsächlich am Beispiel dieses Papstbesuches tun.

In der Abenddiskussion „Im Zentrum“ (ORF) wurde viel über die berührenden Worte des Papstes gesprochen, die „in ihrer Tiefe erst ausgeschöpft“ werden müßten. Ohne respektlos sein zu wollen, muß aber doch dazu festgestellt werden, daß die Inhalte dieser Worte von jedem Religionslehrer, Pfarrer oder auch nur halbgebildeten Katholiken genauso gesprochen würden, wenn man ihnen das Wort erteilt hätte – oder sehr wahrscheinlich hätte so mancher den Papst sogar übertroffen.

Sich derart betroffen und überrascht über dessen Reden zu zeigen, mit glänzenden Augen davon zu schwärmen, wie es Diskussionsteilnehmer taten, ist eine wahrhafte Beleidigung des Papstes, - hätte man ihm eine solche „Leistung“ gar nicht zugetraut, solche „No Na- Äußerungen“ zu tätigen?

„Tief berührt von seiner menschlich warmen Zuwendung an die Teilnehmer“ waren viele . Ja, was denn anderes sollte der Papst tun? Was haben sie sich erwartet?

Das eben ist die „Macht der Übertragung“, daß kritikfähige, mündige Menschen wegen derart selbstverständlichen und einfachen Gesten, Worten und Handlungen sich „tief  berührt“ fühlen. Hier werden sie zu Kleinkindern, die den Papa suchen und ihr Bedürfnis stillen, den größten, und besten und einmaligsten Papa der Welt zu haben.
Das alles darf so sein, aber man soll es sich bewußt machen.

Man darf Übertragungen genießen, aber man soll sich dabei auch kritisch beobachten.

„Die Wahrheit wird Euch frei machen.“

                   
                               
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