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          Die Metapher als Instrument der Verständigung und als Instrument der Manipulation

Harald Picker

 

Metaphorische Begriffsbildungen wirken mitunter überzeugend und verleiten zu einem Denken in Bildern, die hochwirksam Emotionen auszulösen imstande sind und den Wahrheitsgehalt von Aussagen verschleiern können.

Dies gilt für die Wissenschaft, für Politik, Religion und Wirtschaft. Die in der psychoanalytischen Theorie gebräuchlichen Metaphern schaffen ein von diesen Metaphern geprägtes Menschenbild mit Folgewirkungen für die kulturellen Entwicklungen der menschlichen Gesellschaften.

 

Eine Definition des Begriffs "Metapher":

Ich erlaube mir, die gängige Definition des Begriffs "Metapher" im Laufe des Referates assoziativ zu erweitern und hoffe auf Ihr Einverständnis.

Ein Begriff oder eine Erfahrung wird durch etwas, nämlich die "Metapher" ersetzt, oder ergänzt, die deutlicher oder anschaulicher oder sprachlich reichhaltiger sein soll - meist auch mit emotionalen Inhalten verbunden ist, die aus anderen Zusammenhängen stammen.

Am Beispiel des Begriffs "Baumkrone": Es wird anstatt der bloß realistischen Beschreibung der Form des Geästes eines Baumes das Majestätische des Baumes als Gefühl zusätzlich suggeriert, obwohl vom reinen botanischen Denken her kein Bezug zur Monarchie besteht.

Die Dichter treiben es noch weiter, indem sie reimen "Der Wald steht still und schweiget ...", wobei dieses angebliche "Schweigen"entweder Ruhe oder Drohung assoziieren läßt, oder vielleicht auch Trauer oder Andacht. "Wogende" Baumkronen lassen im Gefühl die Wirkkraft einer Energie spüren und sogleich an die Wellen des Meeres denken.

Es werden also über die Metapher Beziehungen hergestellt, die das eigentliche Objekt irreal verändern oder umdeuten, so wie das Kleinkind eine Bedeutungswelt durch seine Gefühlsassoziationen herstellt. Der liebe, arme Teddybär, der böse Sessel, an dem ich mich gestoßen habe ... die Beispiele aus der Kindheit betreffen zwar nicht direkt die Metaphorik, haben aber einen ursächlichen Zusammenhang mit der Psychologie der Fähigkeit, Metaphern zu bilden und deren Botschaft emotional zu verstehen.

Die reine , logisch erkennbare Realität wird angereichert durch motivierte Bilder und Gefühle, die meist bereits auf einem bereits vorgefassten sogenannten Vorurteil bestehen und aus einer bewußten oder unbewußten zielorientierten Tendenz, die durch die Metapher mitgeliefert wird.

Darin liegt auch die Möglichkeit, durch die Verwendung von Metaphern etwas zu manipulieren, mit Emotionen und Bildern zu verschmelzen, die tendenziell ausgerichtet sind.

Beispiele aus der Medienwelt gibt es genug : "… es droht eine Flut von Flüchtlingen über Europa hereinzubrechen, die leicht zum Zunami werden kann"

Mit dieser Formulierung soll offenbar Angst erzeugt oder verstärkt werden, mit dem Impuls, alle denkbaren Abwehrmassnahmen zu ergreifen, um unsere Haut zu retten.

Was soll in der Tatsachenmeldung über einen Einbrecher, der festgenommen wurde, die Formulierung: "Der 36jährige Hilfsarbeiter konnte nur mit Einsatz von Pfefferspray überwältigt werden …"? Was soll durch die Erwähnung des Lebensalters und des Berufs vermittelt werden? Vielleicht, daß Hilfsarbeiter, die es mit 36 Lebensjahren noch nicht weiter gebracht haben, eher verdächtig sind als Angestellte oder Beamte ?

Sicher erwartet man nicht eine Meldung wie "45jähriger Buchhalter beim Überqueren des Schutzweges schwer verletzt..." das würde schon ein wenig auffallen und Verwunderung auslösen: Warum 45jährig? Warum Buchhalter?

Was hat das mit dem Begriff "Metapher" zu tun? Im allgemeinen werden ja in unserem Sprachgebrauch eher kurze Erzählungen oder Sprachbilder als Metaphern bezeichnet. Als Beispiel:

"Die Menschheit ist wie ein Ozean. Tropfen bilden die unendlich erscheinenden Wassermassen, die bei Sturm in Tröpfchen hochspritzen und wieder in den Ozean zurückfallen.In diesem kurzen Zeitraum sind die Tropfen Individuen, denen man auch einen Namen geben könnte - dann aber werden sie verschmolzen mit den Wassermassen des gesamten Ozeans. "Seht!" ruft der Prediger: "So ist das Menschenleben!"

Der Spötter hingegen macht es kurz und bündig : "Das Leben ist wie eine Hühnerleiter , kurz und beschissen" - auch eine Metapher, und vielen fällt zugleich das Huhn ein, das sie selber sind ...

 

Begriffe als Metaphern vom Anfang an

Eigentlich ist jeder Begriff eine Metapher von Anfang an, da es keinen objektiv reinen Begriff gibt, der nicht sofort im Bewußtsein bebildert wird - und sei es nur ein Schriftbild des Begriffes, der vor unseren Augen auftaucht, besonders bei abstrakten Begriffen wie zum Beispiel eben "Metapher" - die menschliche Seele ist unter anderem eine "Bilderseele". Man kann nicht ohne Bilder oder ohne Gefühle, oder ohne Bilder, die wie Geschwister den Begriff begleiten, denken. Der Begriff wird vom Gefühlserlebnis gezeugt.Welche Geschwister unsere Begriffe, die wir verwenden, umgeben, dies zu erkunden ist Aufgabe einer ganz persönlichen Psychoanalyse, der sich jemand unterzieht.

Sigmund Freud war der Überzeugung, daß unsere Kulturleistungen aus unseren Neurosen heraus geboren werden. "Der Preis für die Kultur ist die Neurose". Wer Kulturen verstehen will, muß sich mit den Neurosen beschäftigen, die diese Kulturen hervorbringen, und diese einer analytischen Kritik unterziehen. Bedingungslose Akzeptanz aus political correctness und Konfliktscheu ist keine wirklich intelligente Alternative.

Vieles ist ja unbewußt abgespeichert und muß durch bewußte Korrektur enttarnt werden, um nicht falsche Signale an die nächsten Generationen weiterzugeben. Denn es gibt Metaphern, die "besetzt" von historischen Zusammenhängen von uns zum Teil gar nicht durchschaut werden, die wir aber sprachlich als selbstverständlich empfinden.

Ich habe zum Beispiel immer wieder den Begriff "Vergasung" verwendet, wenn ich etwa formuliert habe: "Ich habe doch bis zur Vergasung zu erklären versucht ..." oder "Man soll schwierige Schüler nicht durch den Rost fallen lassen ...", bis ich hier im Propädeutikum durch Studierende darauf aufmerksam gemacht wurde, welcher Herkunft diese Begriffe sind und was sie unbewußt transportieren. Mörderische Metaphern ...

 

Metaphern als Memetik

virale Ausbreitungen - durch infektiöse Kommunikation

Mediendynamik - digitale Infektionsträger

An dieser Stelle möchte ich Sie auf die "MEMETIK" aufmerksam machen

Der Informationsbiologe und Zoologe Richard Dawkins entwickelte diese Theorie einer weltweiten Kommunikation, die das Denken und Fühlen der Menschheit in neue Bahnen lenkt, vergleichbar mit der Evolution in der Biologie. Als "MEM" wird die Informationseinheit bezeichnet, die ausgesandt, sich verbreitet und als Bestandteil weltweiter Kommunikation Kulturinhalte und Bewußtsein zu verändern imstande ist,- vergleichbar mit biologischen Ereignissen, wie etwa Epidemien es sind, in denen sich Viren durch Infektion ausbreiten.

In der Memetik wird Infektion durch menschliche Kommunikation ersetzt, wobei Begriffe als "Metaphern" oft nicht mehr kontrollierbar oder  hinterfragbar sind.

Eines der vielen besonders tragischen Ereignisse während des Hitlerdiktatur war die Ausbreitung des Begriffes "Endlösung". Heydrich hat während der sogenannten "Wannseekonferenz" diesen Begriff erstmalig gebraucht und von nun an sozusagen in der NS-Partei "salonfähig" gemacht, den Virus angesetzt.

Bisher wurde nach der "Lösung" der Judenfrage gesucht, ab der Wannseekonferenz sprach man dann offiziell von "Endlösung" und die Tötungsabsicht wurde als "Mem" infektiös wirksam.

Scheinbar harmloser ist die Formulierung "Emanze" als Abwertung von Frauenrecht, wobei sie hoffentlich nur zufällig ähnlich klingt wie "Wanze", die ja kein geliebtes Haustier ist sondern als Schädling gilt.

Seit Sigmund Freud wissen wir, daß unser Bewußtsein - metaphorisch ausgedrückt - auf dem Ozean des Unbewußten schwimmt, und dass dieser unbewußte Ozean genauso vergiftungsanfällig ist wie das reale Meer. Viele Schadstoffe, Meme und Metaphern sind Gifte, die Kultur und Denken beeinflußen.

Vulgär ausgedrückt: Wer "Scheisse denkt", darf sich nicht wundern, vor allem "Scheisse" im Gehirn zu haben.

Es gibt eine Unzahl von Metaphern, die als "Meme" wirksam unser Denken beeinflussen, und sogar eine gewisse "Realität" zu sein scheinen, mit der wir glauben, erlaubterweise auch "wissenschafteln" zu dürfen. Ein faszinierendes Beispiel stellt der Begriff "Wille" in seinen Zusammenhängen mit "Willensfreiheit" und "Willensstärke" dar.

Meist wird ja "Wille" selbst in der wissenschaftlichen Psychologie wie ein "Ding"verwendet, etwa wie ein Nerv, der stark oder schwach ausgebildet sein kann, oder frei und unfrei sich äußert. NUR: Diesen "Willen" gibt es gar nicht, er ist eine Fiktion, weltanschaulich - moralisch geprägt, eine verdinglichte Metapher.

Daher kann er weder frei noch unfrei sein, sich auch nicht in den berühmten 7 Sekunden vor der Entscheidung eines Probanden bereits ankündigen, kann auch nicht "schwach"oder stark, gebrochen oder ungebrochen sein wie ein materielles Ding, das als Sache beschreibbar ist. Es gibt ihn so tatsächlich überhaupt nicht - er ist eine Metapher für einen Prozess einer Persönlichkeit, die sich aus zahllosen Motivationen über lange Entwicklungszeiten hindurch in gänzlich verschiedenartigen Lebensphasen verschieden darstellt, in verschiedenen Zeiten zu verschiedenen Handlungen führt, solche gewissermaßen vorbereitet.

Trotzdem scheuen sich Psychologiewissenschafter nicht, diesen nichtexistierenden "Willen" zu messen, Tests dafür zu entwickeln, Menschen hinsichtlich ihrer Willensdimensionen zu beurteilen. Das aber birgt die Gefahr eines Sozialrassismus in sich, indem man die Bewertung eines sogenannten "Willens" als ein Maß für den Wert eines Menschen zuläßt.

 

Metapher "Evolution"

Das größte aller Rätsel, nämlich, wie die Welt, das Universum, funktioniert, welchen Ursprung und welche Dimensionen diese wissenschaftliche Grundfragestellung hat, wird durch einen Begriff, der zur Metapher wurde, scheinbar wissenschaftlich im Grundsätzlichen beantwortet: Das Zauberwort "EVOLUTION" beruhigt alle Fragenden, als würde diese Evolutionstheorie diese Fragen beantworten.

So großartig die Evolutionstheorie in ihrer Beobachtung auch ist, scheint sie für die meisten Menschen der Schlußpunkt des Denkens, des Nachdenkens zu sein. Ich spotte gerne, indem ich von einer "Eh - klar -Gesellschaft" rede, die keine weiteren Fragen hat, da mittels diverser Theorien "eh alles klar" sei.

Albert Einstein hat es ausgesprochen: "Eine Theorie soll einfach sein, aber nicht zu einfach."

Ich habe immer gefordert, es sollte einmal das Wort "NUR" behördlich verboten werden, da es zur Verdummung der Gesellschaft beiträgt. Das ist ja "nur" dies oder jenes ... da braucht man nicht weiter zu denken. Und tut man es dennoch, dann ist man in den Augen anderer ein Phantast, unwissenschaftlich, ein Gutmensch oder letztlich jemand, den man nicht ernst nehmen sollte - ein Spinner. Wer seriös sein will, hält sich an feste Metaphern, die jeder gleicherweise in wissenschaftlicher Sprache versteht. Die Kriterien der "Wissenschaftlichkeit" sind als Zankapfel (auch eine Metapher) zwischen Empirie und Philosophie bekannt.

 

Statisch oder prozesshaft

Dazu paßt die berühmt gewordene Metapher von der halbvollen oder halbleeren Flasche. Die meisten mit der Frage konfrontiert, was denn nun die "Wirklichkeit" sei, die Flasche als halbvoll oder aber als halbleer zu erkennen, freuen sich darüber, dies nicht entscheiden zu können. "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?" Eben!

In diesem auf das sogenannte "Faktische" zentrierten Blickwinkel könnte man ja meinen, es sei dies nicht entscheidbar. Dennoch wird man ohne diesen zentrierten Blick durch eine "Ganzheitsbetrachtung" zur Erkenntnis kommen, daß der PROZESS, der zum halben Flaschenvolumen geführt hat, maßgeblich dafür ist. Wurde die anfangs volle Flasche zur Hälfte geleert, berechtigt dies zweifellos zur vorsichtigen Annahme, die Flasche sei halb geleert - also "halb leer" - wurde sie hingegen als leere Flasche halb aufgefüllt, wäre sie eher als "halbvoll" zu bezeichnen.

Das eben als "faktisch" bezeichnete Zustandsbild ist Ausdruck einer oberflächlichen Bestandsdarstellung, wobei eine schon fast absichtliche Denkverweigerung zu einer unvollständigen Sichtweise der sogenannten "Realität" führt, indem das Prozesshafte des Zustandes der Flasche nicht beachtet wird und auch nicht eine mögliche Zielsetzung des Prozesses der Auffüllung oder der Entleerung.

Das Unheil , welches allein durch diese Flaschenmetapher angerichtet wird , verdirbt das wissenschaftliche Denken durch Aussetzung des Prozesshaften und der Zielgerichtetheit. Wie eben Einstein sagt: "Eine Theorie soll einfach sein, aber nicht zu einfach".

 

Metaphern durchleuchten, den Sinngehalt feststellen ...

Es gibt mindestens 2 Möglichkeiten, mit Metaphern umzugehen:

Man läßt sie auf sich freudig einwirken, da sie eine Erkenntnis vortäuschen, wie wir beim Beispiel der halbleeren oder halbvollen Flasche gesehen haben, und denkt, weil befriedigt, nicht weiter.

Die zweite Möglichkeit ist die Realitätsprüfung , die man einer Metapher unterzieht. Das ist insofern von Bedeutung, da alle Religionen aus einem unglaublich hohen Anteil von Metaphern in Form von Geschichten, Traditionen, Geboten und sogenannten "Glaubenswahrheiten" bestehen .

Diese Metaphern haben die Besonderheit, dass sie den enthaltenen Sinn nicht klären, wie es üblicherweise durch die Metapher geschieht, sondern im Gegenteil verbergen, weil der Sinn zu wenig bildhaft überbleibt, wenn man die Metapher auflöst.

Wem es aber gelingt, die traditionellen religiösen Metaphern aufzulösen und neue begriffliche Metaphern abstrakterer Art daraus zu formulieren, entdeckt möglicherweise ein Bewußtseinsfeld, in dem der SINN zu leuchten beginnt. Meist wird die normale Dummheit, die uns diesen Zugang unmöglich macht, dazu führen, dass wir die Religionen als ehrwürdige aber dumme "Gschichterln" abwerten. Nur der Philosoph oder Theologe bemüht sich um die Durchleuchtung der Metapher, wenn er auf der Suche nach dem Sinn ist.

Es lohnt sich, den Beginn des Johannesevangeliums zu zitieren - besser noch zu meditieren:

"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Im Anfang war es bei Gott, alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist ..."

Dieser Satz ist meiner Meinung nach der wahre nucleus der Philosophie,aus der sie ihre Evolution entwickelt. Wenn man, wie Goethe, das Wort "logos" mit "Sinn" übersetzt, heißt es: "Im Anfang war der Sinn ..."

"Im Anfang war das WORT ..., im Anfang war der SINN".

Es ist verlockend, das Bilderverbot der Bibel: "Du sollst Dir kein Bild machen" wenigstens insofern zu befolgen, daß wir die Metaphern mit Mißtrauen hinterfragen, weil wir wissen, daß sie verführerisch sind , indem sie die Wahrheiten verwischen und meist vereinfachen.

 

Dämonologie und daraus abgeleitete Metaphern

In einem Bericht eines Ethnologen wird mitgeteilt, daß ein Stammesritual zur Verhandlung über einen Dieb darin bestand, dass diesem von den im Kreis sitzenden Stammesmitgliedern in einem "Sing-Sang" alle möglichen guten Eigenschaften, die er doch hätte, vorgetragen wurden - stundenlang. Und es gab keine Strafe am Ende der Sitzung .Alle gingen friedlich auseinander.

Auf die Frage des Forschers, warum das so sei, antwortete der Häuptling, der Mensch sei wie ein großer Tonkrug, in dem gute und böse Geister wohnten. Man müsse, wenn die guten Geister ihre Aufgabe, die bösen Geister zu überwachen, nicht erfüllten, weil sie etwa schliefen, diese durch Anrufen wieder aufwecken, dann würde die Ordnung wieder hergestellt werden, Strafe sei unnötig und würde die bösen Geister wieder stärken ...

Ich habe die Vorstellung, daß eigentlich jeder Begriff - auch dieses Wort "Begriff" ist ja eine Metapher - eben zu einer Metapher wird - oder zu einem Mem, welches sich in der Kulturgeschichte und somit auch in der individuellen Lebensgeschichte wie infektiös verbreitet, Bestand hat, und sich mitunter verhängnisvoll verfestigt. In der Psychoanalyse erheben wir den Anspruch, diese Verfestigungen möglichst erlebnishaft zu hinterfragen oder aufzulösen.

Das Straf -und Rachebedürfnis mit seinen zahlreichen rechtfertigenden Metaphern hat weite Gebiete des Menschlichen dauerhaft geprägt.

Das Ziel der Psychoanalyse ist es, die Freiheit und Unabhängigkeit des Bewußtseins zu fördern. Zugleich aber verwendet Sigmund Freud Metaphern, die wie jede Metapher verführerisch locken, aber neuerlich zwanghafte Begriffsbilder mit Nebenwirkungen hervorrufen.

Hat man im Mittelalter eine "Teufelsaustreibung" mittels religiöser Rituale betrieben, so ist im Grund genommen Freud nicht allzuweit davon entfernt, wenn er manchmal ähnliche Vorstellungen anders formuliert. So wird in der Teufelsaustreibung von "Besessenheit" gesprochen, in der Analyse von "Besetzung", zum Beispiel "Objektbesetzung" oder "libidinöse Besetzung" im Grunde eine Fortführung des Bildes aus der Dämonologie, die vom "austreibenden" Analytiker gegen alle Widerstände des Analysanden in hunderten Stunden betrieben wird.

In der ursprünglichen Teufelsaustreibung verwüstet der bedrängte Dämon die Kapelle und schreit unflätige Beschimpfungen, greift den Exorzisten sogar körperlich an und wirft ihn zu Boden, zwingt ihn auch, dazu selbst gotteslästerliche Flüche und Obszönitäten auszusprechen, die er nur mühsam unterdrücken kann.

In dem durch viele Stunden homopathisch verdünnten "Exorzismus" der Psychoanalyse ist der Widerstand gegen den Anlytiker meist zivilisiert und intellektualisiert - bei verdeckter Emotionalität.In der sogenannten "Gegenübertragung" erlebt der Analytiker Emotionen und Gedanken, die aus der Person des Analysanden stammen und den Analytiker verwirren können, wenn er dies nicht durchschaut und für seine Arbeit verwendet.

Lernt man einen Menschen neu kennen und offenbart man, daß man Analytiker ist, so kommt häufig die ironisch gemeinte, aber doch paranoid wirkende Frage: "Durchschauen Sie mich jetzt?" Die sogenannte "Deutungsmacht" des Analytikers ruft Ängste vor der Selbsterkenntnis hervor. Im "Exorzismus" fordert der Exorzist den Dämon auf: "Nenne Deinen Namen!" wogegen sich der so Aufgeforderte wütend wehrt und den Exorzisten bedroht und bedrängt.

In der Psychoanalyse nennt man diesen Prozess "Widerstand des Verdrängten". Die so bezeichnete "Widerstandsanalyse"durch den analytischen Prozess soll die Geheimnisse dem Bewußtsein zugänglich machen ("Nenne Deinen Namen")

Die "Übertragungsliebe", die "negative Übertragung" und die "Gegenübertragung" sind Reste der Metaphern aus der Dämonologie, die ein "Hin- und Herspringen" der Dämonen mit sämtlichen Verführungskünsten kannte. Der Sprachgebrauch "von allen guten Geistern verlassen", den "Teufel mit Beelzebub austreiben", "was ist denn in Dich plötzlich gefahren….?", "Welcher Teufel hat Dich da geritten? ..." zeigt, wie selbstverständlich dämonologische Metaphern unser Unbewußtes besiedelt halten . In der Psychoanalyse gibt es den wenig gebrauchten Begriff der "Katharsis" - der Reinigung von dämonisch wirksamen Traumatas.

In der Bibel wird beschrieben, wie Christus die Dämonen in eine Schweineherde hinein austrieb, die dann in eine Schlucht stürzte. Die systemische Familientherapie kennt ähnliche Phänomene in Menschengruppen und mahnt Therapeuten zur Vorsicht. Die Metapher "Sündenbock" für jemand, der die Sünden anderer austrägt, ist uns noch immer geläufig. Und genügend "Sündenböcke" sollen zur Beruhigung der Gesellschaft zur Verfügung stehen und werden laufend produziert um die jeweils Herrschenden von der Sünde freizusprechen. (Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein)

 

Gottesbild und Menschenbild - Metaphern, die die Welt gestalten

In der Bibel wird beschrieben, wie Moses vom Berg Sinai herabstieg und die Tafeln mit den 10 Geboten brachte.

Das 2.Gebot lautete: "Du sollst Dir kein Bildnis oder irgendein Gleichnis machen, weder das oben im Himmel, noch das unten auf Erden, oder das im Wasser unter der Erde ist ..."

Die Mohammedaner, die Moslems, haben sich an diese Anweisung gehalten und lediglich ornamentale Verzierungen an ihren Gebäuden erlaubt.

Dass sich die Juden kein Bild machen durften, welches sie anbeten hätten können, ist aus der historischen Situation gut verständlich: "Du sollst keine anderen Götter neben mir haben".

Aber was steckt hinter dem Zusatz "oder irgendein Gleichnis, weder das oben im Himmel, noch das unten auf Erden oder das im Wasser unter der Erde ist ..."

Für das Gottesbild darf es unsere Metaphern nicht geben, kein Gleichnis kann Gott als den Überbegriff über alles Existierende darstellen. Jedes Gleichnis ist unvollständig und stellt die Notwendigkeit her, den vollständigen Gott zu finden, was unmöglich ist und daher nur verfälschte Vorstellungen hervorruft.

Es gibt also keine Metapher für Gott, die in diesem Sinne brauchbar ist, auf die man sich verlassen könnte, ohne in Widersprüche zu geraten.

Ich glaube Dietrich Bonhoeffer, ein evangelischer Theologe, der als Widerstandskämpfer 1945 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde, hat mit der Aussage: "Einen Gott, den es gibt, kann es gar nicht geben" die Grenzen einer Metapher für den Gottesbegriff aufgezeigt.

Was folgt aber daraus für die Menschen, die sich Gott vorstellen wollen, aber keine Metapher dafür haben können, die passt?

Sie suchen sich Halt zu geben, indem sie entweder kleinkindhaft ihren Kinderglauben aktiv halten, ohne "eigentlich" wirklich daran zu glauben, oder dem Gottesbild autoritäre Metaphern zuordnen wie "Herrscher", "Christus der König", "Strenger Richter aller Sünden", "Hort der Gerechtigkeit", "der unbewegte Beweger", das "Sein aus sich selbst heraus", "Herr der Heerscharen", oder im Versuch neutral zu sein, von einem höheren Wesen ausgehen, das es irgendwie doch geben muß, ohne weitere Eigenschaften dieses Gottesbildes zu beschreiben.

Davon hängt also das Menschenbild ab: Von der "Persönlichkeitstheorie" Gottes bis zu einer wertfreien Feldtheorie physikalischer Art: "Es muß irgendwas geben ..."

Wer es als intellektuelle Schande erlebt, überhaupt einen Gottesbegriff zu haben, kann dann auf das Bekenntnis ausweichen: "Ich glaub einfach an die Evolution, aus der alles entstanden ist und entsteht".

Die scheinbar mögliche Metapher "Evolution" für ein Gottesbild ist frei von moralischen Implikationen, läßt sich verwissenschaftlichen und erträgt Ideologien jedweder Art, geeignet für alle Menschenbilder, die denkbar sind.

Es gibt allerdings eine "Evolutionstheologie"- begründet vom Jesuiten Pierre Teilhard De Chardin (Buchtitel : Sinn und Ziel der Evolution), die den Gottesbegriff mit der Evolutionstheorie zu vereinen versucht - die Vereinigung alles Existierenden durch Evolution mit Gott (Begriff "OMEGA").

Die Unsicherheit - vor allem der Intellektuellen ist groß. Hängt doch das Menschenbild - was ist der Mensch? -, das Bild von der menschlichen Gesellschaft wesentlich vom Gottesbild ab. Wir merken es derzeit deutlich in der aktuellen Krise der moslemischen Religion, aber auch aller anderen Religionsgemeinschaften.

Weil es keine gültige Metapher für ein Gott-und Menschenbild gibt, kann sich jede und jeder selbst ein Bild machen, welches er auf seinen Nullgott oder auf seinen willkürlich gestalteten Gott projiziert und daraus Rechtfertigungen für sein Menschen- und Menschheitsbild formuliert.

Metaphern sind wunderbare Hilfsmittel, weil sie ein Gesamterlebnis des Bewußtseins ermöglichen und die Abstraktion erweitern können.

ABER: Metaphern sind besonders dafür geeignet, suggestiv zu wirken und kritische Reflexion zu vernachlässigen, somit auch Manipulationen gesellschaftlicher Lobbies zu ermöglichen.

"Du sollst Dir kein Bild machen!" Diese Warnung macht uns hilflos, da wir ohne Bilder, ohne Metaphern nicht philosophieren können und ohne Philosophie kein weltweit wirksames Menschenbild begründen können, auch nicht für die eigene Person, das eigene Selbst, das wir sind.

Viktor Frankl berichtet von seinem ehemaligen Naturgeschichtslehrer in der Mittelschule, der zu seinen Schülern gesagt haben soll: "Im Grunde genommen ist der Mensch doch nur ein Verdauungsschlauch".

Ich hoffe, wir schließen uns solchen Metaphern nicht an und erhalten uns die kritische Reflexionsfähigkeit philosophischen Denkens.

         
                     
                     
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