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Überlegungen | |||||||||||||||
Von
Kannibalen und der Heiligsten Dreifaltigkeit Widersprüchlich sind sie, die menschlichen Bedürfnisse und Gefühle. Ambivalent ist dafür der in der Tiefenpsychologie gebräuchliche Begriff. Wir sind als Menschen immer im Widerspruch verfangen und wollen diesen Konflikt loswerden, hätten so gerne die Eindeutigkeit und Einseitigkeit unseres Gefühlslebens abgesichert. Wir hätten es auch gerne, wenn die Mitmenschen eindeutig wären, wenn zum Beispiel Liebe ohne Aggression existieren könnte . Wir streben nach Individualität und Selbständigkeit, nach Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit unseres Seins, haben Begriffe wie Emanzipation und Selbstfindung zu Jahrhundertwörtern gemacht. In unserer Kultur ist es so, in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten gilt und galt die Individualität nicht so viel ,wie etwa das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Familie und den Ahnen , zu einer Volksgemeinschaft oder einer Idee. Selber jemand sein und sich gleichzeitig mit anderen vereinen: Zwischen diesen Brennpunkten ist das Seelenleben ausgespannt. Alfred Adler hat diese Dynamik seiner Individualpsychologie zugrunde gelegt, in der neben der Individualiät ganz besonders das Bedürfnis nach Gemeinschaft beachtet wird. (Alles Leben ist Gemeinschaft). Das Bedürfnis nach Abgrenzung der eigenen Person steht in Widerspruch zur Sehnsucht, diese Grenzen zu öffnen und sich zu vermengen: ... mit Personen, mit der Natur, mit der Kunst ... Und dieses Hin-und Her des Abgrenzens, Öffnens, Eindringens, Auffressens, ist mit Ängsten und mit Lust durchsetzt, mit Aggression , Gewalt und mit Trauer. Sogar sich selbst zu beseitigen oder die geliebte Person, kann das unglückliche Ergebnis einer nicht gelungenen Bewältigung sein . Als im Dezember des Jahres 2003 der unglaubliche Fall der Kannibalen in Deutschland bekannt wurde, mußten wir die Grenzen unserer Vorstellungswelt um ein unangenehmes, grosses Stück erweitern: Da gab es einen Menschen, der einen Freiwilligen suchte, der sich von ihm schlachten und essen lassen wollte. Und es gab tatsächlich einen anderen, dessen Sehnsucht danach gerichtet war, von einem Mann geschlachtet und aufgegessen zu werden. Der Täter sprach davon, es sei ein Akt der Pietät gewesen, dies zu tun .Es sei auch nicht zu befürchten, daß er dies jemals wiederholen wollte. Sein seit der Kindheit bestehender Wunsch, sich einen Bruder einzuverleiben sei hiemit endgültig gestillt, und seine quälenden Phantasien seien nunmehr nicht mehr notwendig. Die ansonsten so harmlos klingenden Begriffe aus der Psychologie, wie es etwa die Redewendungen sich eine geliebte Person einverleiben oder die geliebte Person internalisieren sind, wurden hier fleischlich realisiert. Seitdem ist auch die populäre Redewendung ich habe Dich zum Fressen gern ihrer Harmlosigkeit beraubt worden. Ich habe nicht die Absicht, blasphemisch zu schockieren, aber es fallen mir auch die Worte Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm als Assoziation dazu ein. Das Bedürfnis , in einem anderen Menschen aufzugehen, beziehungsweise einen anderen Menschen in sich aufzunehmen, kann, wenn es von der Symbolik zur Realität kommt, die Sicherungen unserer Tabus durchschlagen und genau diese Angst ist es, die wiederum viele Beziehungen zu Geisterbahnen der Ängste macht und verunmöglicht. Das Ergänzungsbedürfnis des Menschen äußert sich in vieler und unterschiedlicher Weise und steht im Einklang mit der gesamten Evolution des Universums . Es gibt Philosophen, Theologen und Kosmologen, die das Universum auf dem evolutionären Weg zur Einswerdung sehen und auf dem Weg zu einem immer höheren Grad von Bewußtsein. Der Mensch sei der vorläufige (!!!) Höhepunkt auf dieser Entwicklung, vom Drang nach immer stärkerer Bewußtheit und immer stärkerer Verschmelzung geprägt. Dies seien auch die Tendenzen der Technik - mit allen Gefahren auch, wie es sich unglaublich symbolisch im Wort Kernschmelze ausdrückt. Selbst die Dreifaltigkeit Gottes , wie sie unverstanden bezeichnet wird , kann so gesehen werden: Gott ist kein Narziss und Einzelner , Gott ist Gemeinschaft und - so lehren Religionen der Mensch soll da hinein, und zwar gleich mit der ganzen Schöpfung. Das wär doch was !? |
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