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          Von der Wirkkraft der Aufmerksamkeit

(und der Pathologie des Boxens)

Die Fähigkeit des Menschen aufmerksam zu sein, macht es uns möglich, unsere höchstpersönliche Entwicklung zu steuern .Aufmerksamkeit ist – um es lächerlich zeitgemäß auszudrücken : “Evolutionsmanagement “.

Die Fähigkeit des Gehirns besteht ja zu einem großen Teil nicht nur darin, völlig neue Inhalte anzuhäufen und miteinander in Billionen von Kombinationen zu verknüpfen, sondern wesentlich auch in der Selektion aller vorhandenen und neu hinzukommenden Informationen.

Es muß sozusagen eine Themenkartei angelegt werden, in die diese Informationen eingereiht werden, und es müssen alle unbrauchbaren Informationen ausgeschieden oder unterdrückt werden. Was dann bleibt, ist der Focus der Aufmerksamkeit, die wir gerade aufrecht erhalten.

Es gibt bewußte – aber auch unbewußte Aufmerksamkeit. Die unbewußte Aufmerksamkeit nennen wir auch „Einstellungen“, sie sind automatisierte selektive Wahrnehmungen, die wir uns angewöhnt haben. Wir bezeichnen solche automatisierten und ausgesuchten Wahrnehmungen, die bereits selektiert sind, in der Umgangssprache als „Selbstverstänlichkeiten“, als unseren „prinzipiellen Standpunkt“, als „meine Lebenserfahrung , „meinen Blickwinkel“ und finden uns dabei in einem kulturellen Zusammenhabg , den wir manchmal als „Tradition“ bezeichnen.

Aus „kulturellen“ Gründen können daher hochintelligente, ja sogar „hochstudierte“ Personen haarsträubende „Glaubenswahrheiten“ vertreten, moralisch-politische Positionen vertreten, die anderen Personen nur mehr entweder als blödsinnig oder verbrecherisch erscheinen. Denken wir nur an Exzesse menschlicher Kultur, wie es Folter, Todesstrafe, Rassenhass, Hexenverbrennung und Nationalsozialismus sind. Fast unglaublich erscheint es, daß es zu den „Selbstverständlichkeiten“ zählt, daß das Boxen in seiner menschenverachtenden Brutalität in keinem Land der Welt geächtet oder gar verboten ist, sondern sogar als olympische Disziplin in den Adel des Sports erhoben wird. Ich kenne keine politische Bewegung, die dagegen auftritt.

Was das mit „Aufmerksamkeit“ zu tun hat ?

Das sind Ergebnisse bestimmter „Aufmerksamkeitsfokusse“, die Menschen längere Zeit hindurch einnehmen, meist geprägt durch Erziehung und Kultur – oder aber auch durch individuelle pathologische Störungen der jeweiligen Persönlichkeit.

In jedem „Kopf“ befindet sich eine eigene Welt . Jeder Mensch „baut“ sich in seinem Gehirn ein eigenes Universum auf, welches ihm als „selbstverständlich“ erscheint. Die Kunst der Sozialisation besteht hauptsächlich darin, zwischen diesen „Köpfen“ Brücken der Kommunikation und Übereinstimmung zu bauen , Gruppen von „Gleichgesinnten“ zu schaffen, die sich gegenseitig als „richtig“ oder „wahrhaft“ bestätigen. Das braucht die Gemeinschaft  dringend, um bestehen zu können. Daher besteht die Tendenz, Abweichlinge auszugliedern.

Dies ist genau dieselbe „selektive“ Tendenz, die jedes menschliche Bewußtsein, oder besser noch: jedes menschliche Gehirn in sich trägt . Was sich im Einzelnen  abspielt, geschieht in der Gemeinschaft eben gemeinschaftlich .Und das gegenseitige Sichversichern der jeweiligen Standpunkte und Erkenntnisse erzeugt jene scheinbare „Objektivität“, die es uns berechtigt erscheinen lassen, weitgehende Folgerungen zu begründen, wie es Werturteile, Zwangssysteme und Kriege sind.

Die Chance zur Veränderung  des Elends der Menschheit besteht darin, die Aufmerksamkeit in ihrer Richtung und ihren Inhalten  zu verändern.

Erich FROMM hat die Begriffe „Tanatophilie“ (Die Liebe zu Tod und Unterdrückung) und „Biophilie“ (Die Liebe zum Leben und zur Entwicklung) geprägt. Es sind zwei entscheidende Aufmerksamkeitsrichtungen und Einstellungen, die das Schicksal der Menschen als Einzelne und auch als „Menschheit“ wesentlich mitbestimmen.

Die Selbstbeobachtung der eigenen Aufmerksamkeit und der Versuch, diese zu steuern, ist ein grundlegendes Element der Selbsterfahrung und Eigentherapie.

                   
                               
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