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          Wer ist schuld ? Es muß jemand schuldig sein !

(Die Wut der Opfer von Kaprun)

 

Die Schlagzeile der „Kronenzeitung“ lautet :“ 155 Tote...und keiner ist schuld.“

Der Text entspricht dem Juristenspruch des Gerichts. Und trotzdem liest man – hört man den vorwurfsvollen, sarkastischen Unterton der eigenen inneren Lesestimme mit. Kann es denn das wirklich geben, daß diese Katastrophe keinen Ausgleich durch Schuldsprüche des Gerichts erfährt ?

Nach dem Schuldspruch sind die Angehörigen der Opfer fassungslos vor neuem Schmerz und vor Wut. Der Reporter der „Kronenzeitung“ hört eine Frau sagen :“..Ich hätte einen Schuldigen gebraucht, auf wen soll ich jetzt wütend sein ? Auf den lieben Gott ? Muss der jetzt alles ausbaden ? “
Was wäre aber denn wirklich erleichternd daran, wenn Schuldsprüche gefällt worden wären ? Wieso ist es fast immer für Opfer und Hinterbliebene „notwendig“, Verantwortlichkeiten festzustellen und Schuldige zu bestrafen?

Vermutlich hat Sigmund Freud Antworten darauf :

!) Eigene Schuldgefühle gegenüber den Verunglückten sollen „woanders“ hingelenkt und festgemacht werden

2) Schuldige müssen gefunden werden, um das Gefühl, dem Zufall ausgeliefert zu sein, zu entkräften. Es war kein Zufall, es war jemand „schuld“ –„es“ hätte vermieden werden können.

3) Die „Wut auf Gott“ ist tabuisiert (auch „Nichtgläubige“ können „Gott“ zürnen, nur nehmen sie statt dem Begriff „Gott“ eben „das Schicksal“ oder „das Leben“) Der „Sündenbock“ muß gefunden werden, der alle entlastet, den lieben Gott und die Hinterbliebenen.

Dazu veröffentliche ich hier erstmalig eine Leserzuschrift , die mir in der Vorbereitung dieses Themas zugegangen ist :

Herr H.K. schreibt :

„Die Empörung wegen der Freisprüche im Kaprunprozess basieren auf der selben Grundlage wie zur Rechtfertigung von Todesurteilen, oder wie beim blödsinnigen Ritus der „Übernahme der politischen Verantwortung“.

Wenn man einer Person oder Partei oder einem Konzern „die Schuld“ zuweisen kann, dann scheint das die Menschen zu erleichtern. Wahrscheinlich ist dies mit ein Grund, warum Menschen bei Naturkatastrophen so hilflos und verzweifelt sind. Da haben sie nur noch GOTT als DEN VERANTWORTLICHEN Ansprechpartner – und da tun sich vor allem gläubige Menschen schwer.

Einer der dümmsten – aber deshalb auch einer der bezeichnendsten – Fälle war vor Jahrzehnten der von der Öffentlichkeit erzwungene Rücktritt des Baustadtrates von Wien, weil die Reichsbrücke eingestürzt war......

Auf Internationaler Ebene ist das Beispiel des Massenmörders Gadaffi sehr aufschlußreich. Allgemein war bekannt, daß Gaddaffi für den Absturz eines Passagierjets durch ein Bombenattentat verantwortlich ist. Es wurden Sanktionen und Embargos gegen Lybien verhängt, UNO – Resolutionen verabschiedet, etc.,etc....

Jetzt, nachdem sich der Massenmörder als Massenmörder geoutet hat, die „VERANTWORTUNG“ übernommen hat und ein paar Millionen seiner Petrodollars für die Hinterbliebenen „gespendet“ hat, - jetzt ist alles wieder in Ordnung. Die UNO hat die Sanktionen aufgehoben und sogar Herr Bush in Washington ist voll des Lobes für den Mörder der 250 Passagiere.

Übertragen auf KAPRUN wäre es die Lösung, mit einigen „bedingten Verurteilungen“ Ordnung zu schaffen, damit die Öffentlichkeit die Katastrophe besser verdauen kann. Daß dies von der Justiz so nicht gemanagt wurde, zeigt, daß die Justiz und die Rechtsstaatlichkeit in Österreich noch funktioniert.“

So lautet der emotional gehaltene Leserbrief .

Sicher ist er ein sehr brauchbarer BEITRAG zum Thema „Abwehrmechanismen im öffentlichen Raum“ – ein übrigens ideales Thema für Diplomarbeiten oder Dissertationen.

                   
                               
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