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          Worauf man sich einläßt ...

Oft wird die Frage gestellt, wie „wirksam“ oder „unwirksam“ die eine oder andere Therapierichtung „in Wirklichkeit“ denn sei. Viele und unterschiedliche werden genannt und angeboten, versprechen Wirksamkeit  und Erfolg.

In Abwandlung des Buchtitels von Watzlawick „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ kann man einige Wortspielereien assoziieren, wie „wie wirksam ist die Wirklichkeit“ oder „wie wirklich ist die Wirksamkeit“ (.....so vieler Therapieformen).

Als eine sehr einfache , deswegen aber nicht simple oder primitive grundsätzliche Antwort  bietet sich meines Erachtens an : „Worauf sich jemand einläßt, das wird wirklich und wirksam“.

Extrem formuliert würde ein solcher Grundsatz auch lauten können : Es geht nicht um die Frage der Wirksamkeiten sondern um das „Sich einlassen“ und wie weit oder „perfekt“ das jemand kann. Je mehr sich jemand „einläßt“ (ein anderer Ausdruck für GLAUBEN ), desto perfekter wird das Ergebnis sein.  Die sogenannten „Wunder“ aus religiösen oder nichtreligiösen  Bereichen wären möglicherweise ein Beleg dafür.

Das schadlose Verzehren von Giften haben verschiedene Gurus und Schamanen vielleicht schon seriös vorgeführt, meines Wissens aber gelang dies noch nie mit einem gezielten Kopfschuß, obwohl es dazu auch Berichte über „wundersame“ Kugelverläufe unterhalb der Schädeldecke mit anschließendem Austritt der Kugel bei der Eintrittsöffnung gibt ,-- allerdings geschah dies nicht „gläubigen“ Gurus oder Heiligen sondern irgendwelchen zufälligen Opfern. Aber selbst über diese „Zufälle“ kann man philosophieren und sie in ein spirituelles Gesamtsystem einbauen. Physiker und Naturwissenschafter sind für die Fragen nach Wirklichkeit und Wirksamkeit nur mehr teilzuständig, beziehungsweise müssen sie sich selbst zunehmend der Frage stellen, wie „wirklich“ deren Wirklichkeit noch ist.

Dabei ergibt sich die interessante Fähigkeit der Naturwissenschafter, gewisse Wirkungen mit hundertprozentiger Gewissheit herstellen zu können, etwa eine Sprengung durchzuführen. Aber, warum die Sprengung eigentlich funktioniert, „wissen“ sie im Grunde nur aus der Erfahrung, über die Theorien gebildet wurden, die selbst wieder aus Theorien bestehen, aus Symbolen, Unwirklichkeiten, aus eigentlich spirituellen Grundannahmen, wie die 1+1= 2  Vereinbarung.

Wir wissen, daß wir leben (cogito ergo sum), aber wir wissen nicht warum oder wozu wir leben und wir wissen auch nicht, was „Leben“ ist, auch nicht was „Wir Selbst“ sind. Wir haben nur ein irgendwie absurdes Erleben, daß es „ganz natürlich“ (eh klar) ist, daß wir leben.

Und wir haben Vereinbarungen untereinander getroffen, wie wir solche Fragen beantworten sollten oder könnten. Zwar sind diese Vereinbarungen gruppen-und kulturspezifisch unterschiedlich, aber innerhalb dieser Gruppen und Kulturen haben sie den Stellenwert von „Realität“ und werden untereinander zu Konkurrenten.

Eben auf diese Weise sind verschiedene Psychotherapieschulen Konkurrenten zueinander und trotz  zunehmender einsichtsvoller Relativitätserfahrung für die eigene Wirksamkeit gibt es vorwiegend die Versuche, den jeweils eigenen Standpunkt zu verfestigen.

Der Klient oder Patient wird häufig aufgefordert „sich einzulassen“,  die Religionen würden es wiederum als Aufforderung „zu glauben“ formulieren. Und dann geschieht das „Wunderbare“: Wer sich „einlässt“, bei dem „funktioniert“ die jeweilige Theorie oder Praxis weitgehend positiv und wirksam.

Ist es also so ? Wer sich auf etwas „einläßt“ macht es wirksam und  gewissermaßen „wirklich“? Was bedeutet dieses „gewissermaßen“ im letzten Satzteil?

Ich will es so ausdrücken : Es entsteht eine „Wirklichkeit“, die parallel zu der uns bekannten  physikalisch – technischen Faktizität  existiert, einen ergänzenden oder konkurrierenden Bezug zu dieser zu haben scheint . So mancher „Zufall“ wird von den Betroffenen als etwas „Zu – fallendes“ erlebt, das wegen seiner Sinnhaftigkeit (?) als gelenkte Realität empfunden wird.

C.G.Jung hat in solchen Zusammenhängen von „Synchronizität“ gesprochen. Alleine schon das „Synchronlaufen“ zweier offensichtlich unabhängiger Realitäten stellt für die Betroffenen die Frage nach dem möglichen „Sinn“ dieser „Zufälligkeit“ dar. Es sind dies Situationen, in denen man zum Beispiel an jemanden denkt , der gerade dann überraschenderweise um die nächste Strassenecke kommt.

Nun kann man die Aufmerksamkeit zunehmend auf „Synchronizitäten“ richten und wird dann immer mehr davon feststellen können. Es ist ja immer so, daß die Aufmerksamkeitsrichtung die Wahrnehmungen selektiv fokusiert und somit eigene Sichtweisen ermöglicht, die dann in der Folge „höchstpersönliche Realitätsbilder“ erzeugt, die im Extremfall als „Wahn“ diagnostiziert werden. In der Regel geschieht dies aber nur dann, wenn es den Einzelnen betrifft. Entwickeln Gruppen oder Kulturen eigene „Realitäten“, so wird nur mehr selten psychiatrisch diagnostiziert, - dann kommen Soziologen, Politologen, Kulturphilosophen, Theologen oder auch Künstler als kompetente Interpretatoren ins Spiel.

Im Bereich der Psychotherapie ist es kaum anders.

Erinnern wir uns an den bösartigen Zynismus des Karl Krauss, der davon gesprochen hat, daß „die Psychoanalyse die Krankheit ist, die sie vorgibt, heilen zu können“ Tatsächlich muß man an der Psychoanalyse „erkranken“, um durch sie geheilt werden zu können. FREUD selbst hat das Entstehen der „Übertragungsneurose“ in der Analyse als Grundlage und Instrument der „Heilung“ bezeichnet. Einer der an der Psychoanalyse nicht „erkrankt“ ist auch mit ihr nicht behandelbar. Darüber hinaus sah FREUD auch die Fähigkeit zur Neurose als die Grundlage jeder menschlichen Kultur.

Im „Sich Einlassen“ verliert der Mensch in gewissem Sinne seine „Normalität“. Wer sich nie riskierend auf etwas „einlassen“ kann, der ist – bei allem Respekt vor seiner Orientierung an der Grundform der Realität - der Typ von Persönlichkeit, den wir uncharmant als „Normopathen“ bezeichnen.

Die „Einheit der Realität“ ist Illusion. Es gibt soviele Realitäten als es Beobachter der Realität gibt. Die „Einheit der Realität“ wäre erst gegeben, würden alle möglichen Beobachter eine gemeinsame Einheit bilden, in ihrer Identität ineinander aufgehen. Die menschliche Gesellschaft versucht ununterbrochen eine solche einheitliche Interpretation der „Realität“ herzustellen, im Grunde dienen alle menschliche Beziehungen nur diesem  Zweck, auch und vor allem die Liebesbeziehungen, die mit heftigstem „Sicheinlassen“ versuchen, die Einheit herzustellen. Auch der „Hass“ dient diesem Ziel, wenn auch seine „Einheit“ eine Sonderform, nämlich die „Alleinheit“  anstrebt.

Worauf man sich einläßt, seien es Religionen, Ideologien, fixe oder wahnhafte Systeme, seien es die verschiedensten Psychotherapierichtungen oder seien es unsere Mitmenschen  - das bildet Realitäten verschiedener Grade und Wirksamkeiten, die Konstrukte auf dem Weg zu einer fernen ungeteilten „Gesamtrealität“ sind.

Denn auch die „Realität“ ist im Prozess der Evolution erst in Entwicklung.

 

Anhang

Im Anschluß und in Zusammenhang mit dieser vorhergehenden „Überlegung“ soll die folgende kurze Erzählung noch mehr Verwirrung stiften und Klarheiten beseitigen:

Es lebte einst ein Mönch, sehr arm, sehr fromm, sehr keusch und den tiefsinnigsten Gedanken in seiner Zelle Raum und Heimat gebend. Selten kam Besuch und wenn einer kam, dann diente auch dieser dem frommen Gespräch und einem gemeinsamen Gebet.

Eines Tages aber kam ein sehr angesehener , hochgebildeter und berühmter Philosoph zur Klause des Mönches in die Einsiedelei. Und dieser gelehrte Mann wollte keineswegs beten oder fromme Gespräche führen. Im Gegenteil, er hatte es im Sinne, den frommen Mann davon zu überzeugen, daß dessen Glaube und Frömmigkeit fern jeder wissenschaftlichen Rechtfertigung unsinnig und lebensfremd, ja lebensfeindlich sei.

Und so führte er seine Argumente und Thesen mit viel Bemühung dem Einsiedler vor Augen, ließ keine Lücken in seiner wissenschaftlichen Argumentation , verfolgte jedes „wenn“ und jedes „aber“ bis ins kleinste Detail  und beobachtete mit Freude, wie unser Mönchlein gebannt an seinen Lippen hing und jedes seiner Worte aufzusaugen schien.

Er endete schließlich damit, daß er dem frommen Manne sein Bedauern darüber aussprach, daß dieser sein  Leben lang im Irrtum des Gottesglaubens sein Leben weggeworfen hätte.

Das Mönchlein verneigte sich ehrfurchtsvoll vor dem Manne der Wissenschaft und dankte ihm : “Ich danke Euch sehr, daß Ihr mir meine Irrtümer vorgehalten und mit Hilfe Eurer Wissenschaft widerlegt habt!“

Dann hob er die Hände zum Himmel und rief : „Und Dir, mein lieber Gott danke ich von ganzem Herzen, daß Du – obwohl es Dich nicht gibt - mir diese herrlichen Irrtümer geschenkt hast, die mich auch weiterhin begleiten und beglücken sollen!“

                   
                               
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