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          Als man mich am 26. Oktober ausgrenzte

Am 26. Oktober war also der  Nationalfeiertag. Und zu diesem Nationalfeiertag gehört traditionsgemäß die Angelobung der neu eingerückten Bundesheersoldaten, auch Präsenzdiener genannt. Also ging ich als Staatsbürger dorthin  auf den Heldenplatz . Zwar ließ ich das Nationalbewußtsein trotz des Nationalfeiertages verächtlich zu Hause liegen – der Begriff „Nation“ ist in meiner Wertvorstellung zwischen lächerlich und anmaßend angesiedelt - aber immerhin ging ich hin.

Ich ging auch deswegen zur Angelobung, weil ich annahm, der ORF und andere europäische Fernsehanstalten würden mich in einigen Interviews um meine fachliche Beurteilung und Stellungnahme zu den staatstragenden Ereignissen auf dem Heldenplatz befragen. Immerhin  bin ich als prominenter Psychoanalytiker für solche Befundungen bestqualifiziert.

Ich bereitete mich also innerlich darauf vor :

Moderator : Herr Picker, Sie als prominenter Psychoanalytiker mit nunmehr vierzigjähriger Erfahrung .......wie haben Sie die Angelobung der Grundwehrdiener empfunden ?

Picker : ... als kannibalistisch

Moderator : Wie meinen Sie das ?

Picker : Ganz einfach. Hier wurden 900 junge Menschen einem Moloch zum Fraße vorgeworfen, indem sie ihrer individuellen Würde beraubt, zu Marionetten und zur Massenware degradiert wurden. Die Häßlichkeit des skandierten Nachsprechens des Angelobungstextes im Sprechchor erinnerte mich an sämtliche Inszenierungen totalitärer Staatssysteme. Der blödsinnige Exerzierschritt der Fahnenträger  tat dann als Draufgabe noch sein Übriges. Und das Zuschauervolk in das ich voller Zorn eingemenschelt war, war offenbar begeistert. Es war eine Schande ...

Moderator : Aber ich bitte Sie, wir brauchen doch Rituale  des öffentlichen Lebens, Sie können doch solche Feiern nicht abschaffen wollen.

Picker : Man muß neue Arten des Feierns und neue Arten von Ritualen erfinden. Das ist eine sehr wichtige staatsbürgerliche Aufgabe, die nicht durch Aufrechterhalten faschistoider und anachronistischer menschenfeindlicher Rituale ersetzt werden kann. Am Ende ist man noch „stolz“  auf diese Tradition. Aber Dummheit und Stolz wachsen eben auf einem Holz und Menschenverachtung setzt sich gleich dazu. Es ist eine Frage des Menschenbildes. Und heute am Heldenplatz habe ich ein scheußliches Menschenbild präsentiert bekommen.

Moderator : Aber es ist doch zutiefst menschlich ...

Picker :  Eben drum muß man verdammt aufpassen, da eben alles Unmenschliche auf der Welt immer auch zutiefst menschlich ist ...

Irgend jemand muß wieder einmal massiv intrigiert haben, denn weder der ORF noch andere Fernsehanstalten machten es sich zur ehrenvollen Aufgabe, mich zum Interview zu bitten.

                   
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